Am 28. Mai 2021 hat der Bundesrat das Gesetz zur Stärkung des Fondsstandortes Deutschland (sog. Fondsstandortgesetz) verabschiedet. Es greift eine Problematik auf, die vielfältig relevant ist. Der Blogartikel beschäftigt sich mit dem Freud und Leid bei equity-based Compensation und mit der Dry Income Problematik.
Aktienoptionen und andere Formen von equity-based compensation – das neue Fondsstandortgesetz aus internationalem Blickwinkel
von Dr. Lysander M. Heigl, Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf, Partner FRANKUS / WP StB Ra PartGmbB
Freud und Leid bei equity-based Compensation – die Dry Income Problematik
Erhält ein Arbeitnehmer Aktienoptionen oder andere Formen anteilsbasierter Vergütungsinstrumente („equity-based Compensation“) sind steuerlich zwei Fragen von Bedeutung. Neben der grundsätzlichen Frage, welche Art von Steuern anfallen, betrifft die zweite zentrale Frage den Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer und die sich daraus ergebende Bemessungsgrundlage.
Relevant ist in diesem Zusammenhang das sog. Zuflussprinzip. Dieses ist ein zentraler Grundsatz des deutschen Einkommensteuerrechts, wonach Einnahmen demjenigen Kalenderjahr steuerlich zuzuordnen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Dieses Prinzip gilt bekanntlich auch für Sachzuwendungen, worunter u.a. die Gewährung von Anteilen am Arbeitgeber-Unternehmen (z.B. verbrieft in Aktien) oder sonstigen anteilsbasierten Vergütungsinstrumenten fallen. Hierbei kommt es regelmäßig zur sog. „Dry Income“-Problematik: der Mitarbeiter oder die Führungskraft erhält als Kompensation für die geleistete Arbeit Unternehmensanteile gewährt und muss hierfür im selben Veranlagungszeitraum Einkommensteuer bezahlen, obwohl die erhaltene Sachzuwendung nicht einfach wie eine Barvergütung mit dem Finanzamt „geteilt“ werden kann. Der Steuerpflichtige muss daher zur Begleichung seiner Steuerschuld Liquidität aus anderer Quelle in Anspruch nehmen.
Die gesetzlichen Neuregelungen
Der Gesetzgeber hat nun mit dem Fondsstandortgesetz ein Gesetz zur Reform der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen an Startups verabschiedet. Nach dem neuen Paragraph 19a EStG sollen Mitarbeiterbeteiligungen von Start Up-Unternehmen gefördert werden, indem der geldwerte Vorteil aus der Gewährung der Unternehmensbeteiligung erst zu einem späteren Zeitpunkt besteuert wird. Dies betrifft die Gewährung von Aktien, GmbH-Geschäftsanteilen, Genussscheinen, stillen Beteiligungen ebenso wie Anteile an einer Personengesellschaft, wenn diese die Beteiligungen hält.
Voraussetzungen für die aufgeschobene Besteuerung ist, dass die Beteiligung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird, d.h. es liegt kein Fall der Entgeltumwandlung vor, und das Arbeitgeber-Unternehmen ist in der allgemeinen Hierarchie der Größenklassen höchstens als mittleres Unternehmen einzustufen, d.h. es hat weniger als 250 Mitarbeiter, einen Umsatz von maximal 50 Millionen € und eine Bilanzsumme von maximal 43 Millionen €; außerdem darf seine Gründung nicht mehr als zwölf Jahre zurückliegen.
Unter diesen Voraussetzungen erfolgt die Besteuerung zum frühestmöglichen der folgenden drei Zeitpunkte:
- Beendigung des relevanten Dienstverhältnisses,
- entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung der erhaltenen Anteile, d.h. regelmäßig ihr Verkauf oder aber deren Einlegung in ein Betriebsvermögen,
- Ablauf von zwölf Jahren nach der Gewährung der Anteile.
Ist nun im o.g. Zeitpunkt der Besteuerung der Wert der Anteile niedriger als bei der damaligen Gewährung, wird für die Ermittlung des geldwerten Vorteils der niedrigere Wert zu Grunde gelegt. Diese Statuierung eines Wahlrechts ist ein weiteres Novum im Gesetzentwurf. Der Steuerpflichtige wird auf diese Weise effektiv vor einer überhöhten Besteuerung geschützt. Im Ergebnis trägt die gesetzliche Neuregelung also nicht nur dem Liquiditätsaspekt Rechnung, sondern auch dem bisher immer latent vorhandenen Risiko, eine Steuer bezahlen zu müssen, die nicht im Einklang steht mit dem später realisierten Wert.
Kritik und Ausblick
Im Grundsatz ist es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber das alte Dogma vom Zuflussprinzip im Kontext der anteilsbasierten Vergütung öffnet und punktuell weiterentwickelt: So entspricht es dem praktischen Bedürfnis, die Steuerzahllast mit dem tatsächlichen Liquiditätszufluss zeitlich zu synchronisieren. Ferner ist es in einer Steuerrechtsordnung, die die „Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip“ zu ihren Grundfesten zählt, nur konsequent, wenn die festgesetzte Steuer im Einklang steht mit dem effektiv realisierten wirtschaftlichen Vorteil.
Das nun verabschiedete Gesetz ist jedoch leider eine vertane Chance, das Thema ganzheitlich und übergreifend neu zu regeln:
Denn zwar ist richtig, dass insbesondere das Führungspersonal junger Unternehmen regelmäßig einen hohen Anteil seiner Gesamtentlohnung durch Beteiligung am Arbeitgeberunternehmen erhält. Allerdings sind sowohl das Dry Income-Problem, als auch das Risiko einer überhöhten Besteuerung bei Wertverlusten Themen, die sich nicht nur in der Start up-Szene stellen: Egal ob New Economy oder reife Industrien, gleichermaßen treten diese Themen immer auf, wenn im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe fremde Top Manager für das Unternehmen gewonnen werden sollen und ein Großteil ihrer Vergütung eng an die künftige Wertentwicklung des Unternehmens gekoppelt sein soll. Hier ist es regelmäßig besonders schwer vermittelbar, dass im Zeitpunkt der Gewährung der Beteiligung eine fast hälftige Steuerlast zu bezahlen ist, obwohl der wirtschaftliche Wert der Beteiligung erst in einigen Jahren und nur in ungewisser Höhe realisiert werden kann.
Doch die Relevanz beider Themenkomplexe – Dry Income-Problem, wie auch das Risiko einer unverhältnismäßigen Besteuerung – beschränkt sich keineswegs auf die obersten Führungsebenen. Vielmehr ist davon schlicht jeder Mitarbeiter betroffen, der sich als Aktionär bei seinem eigenen Arbeitgeber unternehmerisch engagieren und damit einen Teil seiner Altersversorgung in Aktien investieren möchte. Wer also die im internationalen Vergleich nur unterdurchschnittlich ausgeprägte Aktienkultur in Deutschland beklagt, der hätte hier einen wirkungsvollen gesetzgeberischen Hebel in der Hand, um die Beteiligung am Produktivkapital auch für breitere Schichten der Bevölkerung attraktiver zu machen.
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