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Das Erbringen konzerninterner Dienstleistungen begründet noch keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte – EuGH vom 7.4.2022 C333/20

 
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In der Praxis zeigt sich seit einigen Jahren, dass die Umsatzsteuer, die Steuerart mit dem größten Beratungsbedarf ist. Die Themen, die bei den Mandanten aufkommen, sind dabei vielfältig. Das Vorliegen oder Begründen einer umsatzsteuerlichen Betriebsstätte im Ausland ist dabei ein immer wiederkehrender Diskussionspunkt. Jetzt gibt es mehr Klarheit.

Das Erbringen konzerninterner Dienstleistungen begründet noch keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte – EuGH vom 7.4.2022 - C333/20

Einleitung

In der Praxis zeigt sich seit einigen Jahren, dass die Umsatzsteuer, die Steuerart mit dem größten Beratungsbedarf ist. Die Themen, die bei den Mandanten aufkommen, sind dabei vielfältig. Es fing vor ein paar Jahren mit der Thematik an, dass die Finanzverwaltung falsche bzw. (wiederholt) korrigierte Umsatzsteuervoranmeldungen zum Anlass nahm, um den Fall an die Straf- und Bußgeldstelle abzugeben und Steuerhinterziehung anzunehmen.

Desweitern sind internationale Reihengeschäfte immer wieder ein Beratungsschwerpunkt. In der betrieblichen Praxis wird häufig übersehen, dass sich das deutsche Unternehmen in einem anderen Land hätte registrieren müssen, um dort den eigenen umsatzsteuerlichen Pflichten nachzukommen.

Des Weiteren ergehen immer wieder hohe Schätzbescheide, mit denen die Finanzverwaltung versucht, eine erzieherische Wirkung auf den Steuerpflichtigen auszuüben. Die Mandanten sind zum Teil sehr erschrocken über die hohen Schätzungen. Vor allem dann, wenn die getätigten Umsätze steuerfrei innerhalb der EU oder nicht steuerbar wegen Drittlandgeschäften sind und in Deutschland nur abzugsfähige Vorsteuerbeträge hängen bleiben und man mit Erstattungen rechnet.

Der vierte Punkt, den wir immer wieder in unserer täglichen Beratungspraxis sehen, dreht sich um die Frage, ob eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte in einem bestimmten Land vorliegt oder begründet wird.

Wer schon einmal versucht hat, die lokalen Steuergesetzte unterschiedlicher Länder im Hinblick auf eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte zu analysieren, der dürfte gemerkt haben, dass es keine einheitlichen Regelungen gibt. Zwar ist eine europäische Kodifizierung in Artikel 44 MwStSystRL und Art 11 MWStVO gegeben, allerdings hat jedes Land seine eigenen lokalen Steuergesetze und Erlasse, denen lokal zu folgen ist. Eine länderübergreifende Vereinheitlichung ist bisher daran gescheitert.  

Während man in einigen Ländern eher davon ausgehen kann, dass keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte angenommen wird, ist es in anderen europäischen Ländern erstaunlich, wie eng die Finanzverwaltung dort den Begriff auskleidet. Wer schon einmal mit den italienischen Behörden zu tun hatte, weiß wovon wir reden.

Nun hat der Europäische Gerichtshof jedoch eine Entscheidung gefällt, die für die Praxis von großer Bedeutung ist und dem Steuerpflichtigen – gerade im Konzernverbund – eine größere Planungssicherheit gibt.

Aktuelle Entscheidung des EuGH vom 7. April 2022

Der Europäische Gerichtshof hatte sich im Jahr 2014 erstmals mit der Thematik beschäftigt, ob es für eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte angestelltes Personal und eigenes Sacheigentum verlangt (EUGH vom 15.5.2014 C 605/12). Diese Anforderungen wurden bereits damals in den Schlussanträgen der Generalanwältin verneint.

Nun hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 07.04.2022 (C-333/20; Rs. Berlin-Chemie) in einem rumänischen Fall entschieden und dabei zu den materiellen Voraussetzungen einer festen Niederlassung Stellung genommen. Dieses Urteil gibt weitere Klarheit, wann ein Steuerpflichtiger mit einer umsatzsteuerlichen Betriebsstätte im Ausland rechnen muss und wann nicht.

Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass der Steuerpflichtige zur Annahme einer festen Niederlassung nicht unbedingt über eine eigene Ausstattung verfügen muss. In dem hier vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob ein Steuerpflichtiger, der die personellen und technischen Mittel eines verbundenen Unternehmens nutzt, eine feste Niederlassung begründen kann. Dies verneinte der EuGH.

Sachverhalt

Die Berlin Chemie A. Menarini SRL, Klägerin, ist die rumänische Tochtergesellschaft einer deutschen Gesellschaft (Berlin Chemie AG), die gegenüber der Berlin Chemie AG Marketing-, Werbe-, Regulierungs- und Vertretungsdienstleistungen erbringt. Die Berlin Chemie AG vermarktet in Rumänien kontinuierlich pharmazeutische Erzeugnisse zur laufenden Versorgung der Arzneimittelgroßhändler Rumäniens und hat zu diesem Zweck einen Lagervertrag mit der rumänischen Gesellschaft geschlossen.

Die Haupttätigkeit der rumänischen Gesellschaft ist die Managementberatung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. Die rumänische Gesellschaft hat sich vertraglich dazu verpflichtet, die Erzeugnisse der deutschen Gesellschaft in Rumänien aktiv zu bewerben, u.a. durch Marketingaktivitäten entsprechend den von der deutschen Gesellschaft aufgestellten und entwickelten Strategien und Budgets.

Die rumänische Finanzbehörde ging davon aus, dass die von der rumänischen Gesellschaft an die deutsche Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen von dieser in Rumänien empfangen worden seien, wo diese über eine feste Niederlassung verfügt habe.

Entscheidung des EuGH und Urteilsbegründung

Die Entscheidung des EuGH folgt der rumänischen Finanzbehörde nicht und hebt vor allem folgende Faktoren hervor:

Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die Berlin Chemie AG über ihre Tochtergesellschaft keine feste Niederlassung in Rumänien unterhält. Das Bestehen einer Tochtergesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedstaat, die ihre personelle und technische Ausstattung gem. vertraglicher Basis zur Verfügung stellt und auf Grundlage derer sie Marketingdienstleistungen erbringt, reiche nicht aus, um eine feste Niederlassung zu begründen.

Der EuGH bewertet dabei die Gesamtumstände des Falles und kommt anhand der wirtschaftlichen Gegebenheiten zu dem Ergebnis, dass die Einstufung einer Niederlassung als „feste Niederlassung“ und damit als umsatzsteuerliche Betriebsstätte nicht allein von der Rechtsform der betreffenden Gesellschaft abhängen darf. Bei einer juristischen Person, auch wenn diese nur einen einzigen Kunden hat (hier: die AG), sei davon auszugehen, dass sie die ihr zur Verfügung stehende technische und personelle Ausstattung für ihren eigenen Bedarf einsetze.

Eine feste Niederlassung müsse einen hinreichenden Grad an Beständigkeit, sowie eine von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur aufweisen. Zwar ist es dafür nicht erforderlich, dass selbst über eine eigene personelle oder technische Ausstattung verfügt wird; der Gesellschafter muss jedoch befugt sein, über diese personelle und technische Ausstattung in derselben Weise zu verfügen, als wäre sie seine eigene, beispielsweise auf der Grundlage von Dienstleistungs- oder Mietverträgen, durch die ihm diese Ausstattung zur Verfügung gestellt wird und die nicht kurzfristig gekündigt werden können.

Im Übrigen stellt der EuGH fest, dass dieselbe Ausstattung nicht gleichzeitig für die Erbringung und für den Empfang derselben Dienstleistung verwendet werden könne. Also nicht für die eigenen Zwecke und gleichzeitig für die Muttergesellschaft

Nach den Gesamtumständen des Falles verfügt die deutsche Gesellschaft nicht über eine feste Niederlassung, da sie in Rumänien keine Struktur hat, die ihr erlaubt, dort von der rumänischen Gesellschaft erbrachte Dienstleistungen zu empfangen und diese für ihre wirtschaftliche Tätigkeit des Verkaufs und der Lieferung pharmazeutischer Erzeugnisse zu verwenden.

Fazit

Das Urteil eröffnet Beratungsansätze für Steuerberater und Handlungsspielraum für Unternehmen und Konzerne. Die vertragliche Basis ist dabei von entscheidender Bedeutung und sollte im Vorhinein eindeutig festgelegt werden. Die Nutzung von personellen Ressourcen und der Ausstattung vor Ort ist dabei möglich, ohne eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte zu begründen.

Geschrieben von

TAX TOWN ➜ Der Blog für das internationale Steuerrecht vom Steuerberater Frankus, Ihrem Experten für die internationale Steuerberatung mit Sitz in Düsseldorf.

Frankus Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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